… mal abgezeichnet … Thomas Kruppa

Die meisten kennen ihn mindestens vom Namen her. Irgendwann hat fast jeder schon von ihm  gehört. Sei es, weil es Gerüchte so wollen, just er sei schuld daran, daß irgendetwas IT-technisches nicht funktioniere oder nicht zum Laufen käme oder sei es, weil die Welt für die Personalverwalter viel schöner und einfacher wäre, gelänge es nur, diesen Menschen irgendwie einzufangen und möglichst dahin zu schicken, wo der Pfeffer wächst …
… denn eins ist klar – ein Kruppa läßt sich nicht mal eben in einen ebenso erstklassig bezahlten wie zweitrangigen Managementposten empfehlen. Mit der Methode „Nenn‘ mich klug und ich bin Dein“ kriegt man ihn ebensowenig, und ja, einen Rausschmiß hat er auch schon überstanden. Echte Betriebsräte kriegen eben hin und wieder echten Ärger – anderen passiert sowas nie – so ist das nun mal im Leben.

wehrdi.info: Thomas, man hört im Flurfunk, er Personalchef poltere mächtig gegen den EDV-Ausschuss – er nennt das seine persönliche Meinungsfreiheit. Eigentlich schimpft er aber doch auf Dich, oder?

Tom: Ich versuche, die Frage mal ausweichend zu beantworten: Ein Betriebsrat der vom Arbeitgeber zur Führungskraft befördert wird – das soll ja schon ein paar Mal vorgekommen sein – der geht dem Personalchef ganz gewiß nicht auf die Nerven.
Ein engagierter Betriebsrat hingegen wird eher selten befördert.
Wenn der Personalchef aber nun gegenüber unserer Belegschaft versucht, das „nervende“ Betriebsratsmitglied betrieblich bloßzustellen, ist das eigentlich ein Ritterschlag. Immerhin erklärt er der Belegschaft ja nichts anderes, als daß hier ein Betriebsrat ist, der seine Aufgabe ernstnimmt und erfüllt.
Je besser er seine Aufgabe macht, umso mehr poltert halt der Personaler … „Viel Feind, viel Ehr“.

wehrdi.info:  Wie man so allgemein hört, liegt es an Dir, wenn wieder mal irgendeine Software nicht kommt, Abmahnungen nicht gelingen oder das Wetter nicht passt. Für was bist Du sonst noch so verantwortlich?

Tom: Ja, das ist genau das Problem – ich bin eigentlich an keinem einzigen dieser Probleme schuld. Ich mache nur meinen Job – leider ist es nur halt viel zu oft so, daß auf der Arbeitgeberseite in vielen Bereichen – wie soll ich das ausdrücken – „recht grobgestrickte Vorstellungen“ existieren. Nichtsdestoweniger bin ich als Sprecher des BR-Ausschusses für Beschäftigtendatenschutz und IT (EDV-Ausschuss) zum Beispiel für IT- und Datenschutzfragen mitverantwortlich und versuche, hier nach bestem Wissen und Gewissen meinen Job halbwegs ordentlich zu machen.

wehrdi.info: „grob gestrickt“ – eigentlich ein Attribut, das von vielen Arbeitgebervertretern und auch Kollegen mehr mit Dir in Verbindung gebracht wird …

Tom: „Grob gestrickt“ und „grobgestrickt“ sind zwei Begriffe sehr unterschiedlichen Inhalts. Das eine meint einen unbequemen Menschen, das andere eine nicht sehr filigrane Arbeit.
Fragen wir uns einfach mal, was denn eigentlich der Job einer Arbeitnehmervertretung ist: Die „Stellenbeschreibung“ steht im Betriebsverfassungsgesetz: „Kontrolle der Einhaltung der Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer“.

Wer kontrolliert, hat nun mal das „eingebaute“ Problem, nicht immer und überall willkommen zu sein – aber soll er deswegen aufhören, Fragen zu stellen? Im IT-Bereich werden Unmengen an Daten über uns alle verarbeitet – und das unterliegt einer ebenso strengen wie komplexen Gesetzgebung. Die einzuhalten, ist Sache des Arbeitgebers, der diese Daten verarbeitet. Genaue Kontrolle ist Teil jedes Managements, jedes Verbesserungszyklus‘ – ohne sie geht es nun mal nicht. Klar, nicht jedem gefällt das und nicht immer geht Kontrolle mit Nettigkeiten und Küßchen-Küßchen einher – das ist doch ganz normal. Oder hast Du Dich schon mal nach der Verkehrskontrolle beim Polizisten bedankt, wenn er Dir gerade die Karre stillgelegt hat?

wehrdi.info: … sachte sachte, wer redet denn gleich von Stillegen … ist ja auch alles gut und schön mit Kontrolle und Gesetz, aber kann man das nicht etwas freundlicher gestalten? Immerhin wird behauptet, viele Datenverarbeitungen seien doch sehr praktisch.

Tom: Daß etwas praktisch ist, bedeutet noch lange nicht, daß es auch legal oder angemessen sein muss. Ein Beispiel aus meiner aktuellen Problemsammlung: Es ist unbestreitbar eine irre praktische Sache, wenn man mit einer Kamera hinter jedes Gebäude sehen kann, um im Winter zu erkennen, ob da Schnee liegt. Wenn dort aber Leute arbeiten oder den Bereich passieren müssen, ist es letztendlich angesagt, nach einem milderen Mittel zu suchen, anstatt per HD-Kamera sommers wie winters eine anlaßlose Überwachung rund um die Uhr zu etablieren, nur um ein paar versammelte Schneeflocken oder elf Monate lang nix zu bestaunen. Immerhin kann auch leicht jemand hinfahren und nachsehen – vorausgesetzt es schneit wirklich mal …

Jede optische Überwachung ist ein ungeheuer mächtiges Mittel, das tief in unsere Freiheitsrechte eingreift. Das darf man dort nutzen, wo es um Leben und Gesundheit oder ähnlich hohe Werte geht. Aber bitte nicht als Allheilmittel für Dinge, die mit einfachen Mitteln problemlos erledigt werden können. Ich verstehe es als meinen Job als Betriebsrat, dafür zu sorgen, daß unsere KollegInnen nur dort von Kameras überwacht werden, wo das wirklich absolut erforderlich ist. Ich denke, es ist auch eine Frage des gesellschaftlichen Wertbegriffes, ob man mit der Auffassung „Ach, die sollen sich mal nicht so haben wegen dem bißl Kamera.“ an sowas herangeht oder mit dem Respekt, der den verfassungsmäßigen Grundrechten der Kollegen, die da im Blickfeld arbeiten müssen, angemessen ist. Wer wegen Kleinigkeiten schon eine Kamera verlangt, der dokumentiert damit ja auch, daß die Menschen dort für ihn auch nur „Kleinigkeiten“ sind. Das ist etwas, was mich ärgert. Das mag man mir arbeitgeberseitig als unfreundlich anrechnen. Aber es ist meine Art, den Job aufzufassen. Ich könnte genauso gut gegenüber dem Arbeitgeber allseits freundlich konfliktfrei und wertschätzend auftreten, ein paar esoterische Traktätchen schreiben und mich zurücklehnen – ist aber nicht mein Stil

wehrdi.info: Aber wäre es denn nicht eigentlich Sache des Arbeitgebers, die Gesetze einzuhalten und das zu kontrollieren?

Tom: Natürlich, und er tut es ja auch – denn niemand kollidiert gern mit dem Gesetz. Das wird z.B. ist meinem Fachgebiet schon unangenehm teuer geworden, mittlerweile wurden schon viele Millionenbußgelder gegen Firmen ausgereicht. Aber während der Arbeitgeber sich nur hohe Bußgelder und Imageschäden ersparen will, wird sein Interesse andere Grenzen haben als das von uns, die wir vor seinen Kameras allenthalben herumzulaufen gezwungen sind. Daß ein großes Stück Gemeinsamkeit da ist, ist doch klar, aber unterschiedliche Positionen erzeugen eben auch unterschiedliche Interessenlagen. Das ist natürlich und normal. Deswegen geht der Gesetzgeber geht davon aus, dass im Grundrechtsbereich eine Kontrolle von zwei Seiten – ein Vier-Augen-Prinzip – immer erforderlich sein wird. Da liegt er meiner Ansicht nach richtig: Wie oft haben wir es denn im Alltag schon erlebt, zu was die vielgerühmte „freiwillige Selbstkontrolle“ der Unternehmen führt – Feinstaub, Lärm, Abgasgrenzwerte, NOx – und? Wurde irgendwas dank Selbstkontrolle der Autoindustrie eingehalten oder waren es Kontrollen, die den ganzen Schwindel ans Licht brachten? Das Gejammer der Industrie war trotzdem schrecklich – „böse Kontrolleure und falsche Messstellen“ – wer‘s glauben will …

Wenn wir über Daten unserer Beschäftigten reden, dann reden wir über tausende Fälle der Schutzes genau desjenigen Grundrechts, das unsere freiheitliche westliche Gesellschaft von totalitären Systemen unterscheidet. Wer sich vor Überwachung verstecken oder verstellen muß, der ist kein freier Mensch mehr!

Bei aller Liebe, aber das ist schon ein gewichtiger Grund dafür, nicht alles allein den Arbeitgebern zu überlassen – und an eben auch mal etwas unfreundlicher zu sein, wenn es ewig nicht klappen will.

wehrdi.info: Wirst Du irgendwann einmal ruhiger werden und mehr Gemeinsamkeiten mit dem Arbeitgeber suchen?

Tom: Nein. Der Arbeitgeber hat genug eigene Leute für sein Wohlgefühl. Wer die Interessen eines anderen vertritt, hat die Pflicht, diese Interessen zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie nicht verletzt werden. Stell dir vor, du gibst dein Geld der Bank und die verleiht es an jemanden, der zwar ganz toll lieb und nett ist, aber nicht mit Geld umgehen kann. Was wirst Du wohl der Bank erzählen, wenn die dich informiert, daß deine Kohle leider, leider weg ist?

Dass es nicht so schlimm ist, weil ja alle trotzdem sehr lieb miteinander waren?

Ein Treuhänder darf nicht zulassen, daß das ihm übergebene Treupfand gemindert wird. Lieb und gut können wir sein, wenn wir Kätzchen streicheln, aber nicht, wenn es um unsere Rechte geht.

wehrdi.info: … aber wenn man rumpoltert, wird der Arbeitgeber das als unfreundlich empfinden …

Tom: … dann probier‘ doch einfach die freundliche Tour aus – zum Beispiel bei Deinem Vermieter. Frag ihn mal recht freundlich, ob er ab nächstem Monat mit weniger Miete zufrieden ist. Der wird Dir freundlich kommen …
Aber wenn unsere Kollegen weniger verdienen, weniger Rechte haben, zu unmöglichen Zeiten arbeiten oder jetzt nach der Krise mit viel zu wenigen Kollegen von Flieger zu Flieger hetzen sollen, dann sollen Betriebsräte freundlich sein?

wehrdi.info: Ist denn der Betriebsrat derzeit gut aufgestellt?

Tom: Ein ganz klares „kommt drauf an“. Der derzeitige Betriebsrat verfügt über ein ungeheures Erfahrungswissen. Allerdings muß der BR auch für jüngere Kollegen interessanter werden, im Interesse der Belegschaft seine Geschäfte disziplinierter wahrnehmen und auch technisch insbesondere bei Verfahren strukturierter werden. Wir müssen endlich realisieren, daß wir nicht allwissend sind und mehr Fachwissen von außen einholen. Der Konzern ist gewachsen, trotzdem haben wir keine Konzernarbeitnehmervertretung. Der Arbeitgeber hat uns in seinen Strukturen schon vor einem Jahrzehnt überholt. Die AE-Firmen durchleben gerade einen gewaltigen Umwälzungsprozeß nach dem anderen. Solche Probleme mit unveränderten Methoden stemmen zu wollen, wird kaum zu bewältigen sein.